Sonntag, 1. September 2013

J.B. Lenoir


J. B. LENOIR



J. B. Lenoir (* 5. März 1929 in Monticello, Mississippi; † 29. April 1967 in Urbana, Illinois) war ein US-amerikanischer Blues-Sänger und -Gitarrist. Zu seinen bekanntesten Hits gehören Mama Talk to Your Daughter und der Eisenhower Blues.
J. B. Lenoir starb 1967 völlig unerwartet, möglicherweise an den Folgen eines Autounfalls, in den er einige Wochen zuvor verwickelt gewesen war, und an Behandlungsversäumnissen in dem Krankenhaus, das er aufsuchte. Er war erst 38 Jahre alt. Er liegt auf dem Salem Church Cemetery in Monticello, Mississippi begraben.[3] 2011 wurde er in die Blues Hall of Fame der Blues Foundation aufgenommen.[4] „Alabama Blues“ wurde in die Wireliste The Wire's "100 Records That Set The World On Fire (While No One Was Listening)" aufgenommen.
John Mayall beklagte Lenoirs Tod in den Songs I'm Gonna Fight for You, J.B. und Death of J. B. Lenoir.
Der Dokumentarfilm Soul of a man von Wim Wenders (zweiter Teil der Dokumentarfilmreihe The Blues von Martin Scorsese) ist J. B. Lenoir, gewidmet. Nebst ihm werden noch zwei weitere Blues-Musiker porträtiert (Skip James und Blind Willie Johnson).
alles lesen:http://de.wikipedia.org/wiki/J._B._Lenoir


 Vietnam Blues



Sentimental Revolutionary

Was an J.B. Lenoirs Musik vor allem besticht, ist seine Gabe, vom Text wie von der Melodie her wunderschöne, unvergeßliche Songs zu kreieren. Seine oft sozialkritischen Lyrics beschönigen nichts und vermitteln ein klares Bild von dem, was ihn bewegt. Das können nur Wenige Texter. Als
er 1967 im Alter von 38 Jahren starb, verlor die Blueswelt einen Künstler, der sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere befand.

Da im 2. Weltkrieg, wie in jedem Krieg, alle Hände gebraucht wurden, wanderten auch in den USA
viele Menschen, oft ganze Familien, in die großen lndustriestädte wie Chicago und Detroit. In den Nachkriegsjahren schossen neue, unabhängige Plattenlabel aus dem Boden, da diese entwurzelten Menschen sich nach etwas sehnten, das sie an die alte Heimat erinnerte. Der Blues, vor allem der nostalgische von Muddy Waters und seinen Zeitgenossen, stillte ihre Sehnsucht. Für J.B. Lenoir mit seiner aus den Verschiedensten Stilrichtungen zusammengewürfelten Musik sollte es noch ein Weilchen dauern, bis er ein größeres Publikum fand. Mäßiger Erfolg stellte sich in den 50er Jahren
ein, als immer mehr Bluesfans auf seinen einfühlsamen Stil, seine sozialkritischen Texte und seine Gutmütigkeit ausstrahlende Persönlichkeit aufmerksam wurden. Lenoir hatte zu seinen Lebzeiten nie den Erfolg eines Muddy Waters oder Howlin' Wolfs, sicher zum Teil deshalb, weil er sich seine Individualität bewahrte. Sie hat ihren Ursprung vielleicht darin, daß seine Eltern ihrem am 5. März 1929 geborenen Sohn keinen Vornamen gaben, sondern sich mit den Initialen J.B. begnügten.

FRÜH ÜBT SICH

Dewitt und Roberta Lenoir betrieben eine Farm am Stadtrand von Monticello, Mississippi, das ca. 95 km von der Bundeshauptstadt Jackson entfernt am Highway 84 lag. Sie waren musikalisch und spielten beide Gitarre, wovon J.B. bereits als Säugling fasziniert war: “Meine Mutter erzählte mir oft, daß ich immer dann, wenn mein Vater Gitarre spielte, mich aus ihren Armen zu befreien versuchte und wie wild schrie. Ich war nicht zu halten." Mit acht Jahren entlockte er der elterlichen Gitarre, die größer war als er selbst, die ersten Töne. Sein Vater brachte ihm Gitarrenstücke wie Jim Jacksons “Move to Kansas City", Tommy Johnsons “Big Road Blues” und die Musik von Blind Lemon Jefferson bei. Im Laufe der Jahre entdeckte er seine Liebe zum Singen: “Wenn ich meinem Vater bei der Arbeit half, z.B. im Obstgarten bei den Pfirsichbäumen, dann sang ich mir die Seele
aus dem Leib. Einen Wahnsinns-Holler nach dem anderen - nur, um zu hören, wie laut ich tatsächlich singen konnte." Auch der “berufstätige” J.B. hollerte fleißig weiter: “Egal, welche Arbeit ich verrichtete, ich sang immer dabei, lauthals. Ich schlug mich durch, indem ich alle möglichen
Jobs machte. Ich war Baumwollpflücker, pflügte Äcker, sägte Holz, verlegte Schienen. Ich habe sehr hart gearbeitet in meinem Leben, das können Sie mir glauben." Abends, wenn er todmüde nach Hause kam, verarbeitete er das, was er tagsüber erlebt hatte, zu Songs, wie er dem Bluesautor John Broven erzählte: “Es war faszinierend, mit Leuten zu arbeiten, die ihrem Kummer im Blues Luft machten, den Blues regelrecht herausstöhnten. Wenn man den Blues nie gehabt hat, kann man ihn auch nicht singen - dann kommt nichts aus einem raus." Das Leben in Mississippi, erklärte er spä-ter, war zum Abstumpfen: “Damals schwor ich mir, ich würde es hinter mir lassen, sobald ich erwachsen war, und in die Stadt [New Orleans] gehen." Er sollte es in die Tat umsetzen. Bereits als Teenager machte er immer wieder größere "Ausflüge", bei denen er sich als Gelegenheitsarbeiter verdingte und mit Gitarrenspielen ein paar Cents dazuverdiente. 1944 schaffte er es bis nach New
Orleans, wo er kurze Zeit im New York Inn in der Rampart Street zusammen mit Elmore James und Sonny Boy Williamson Il auftrat. Die Musik, die ihn zu jener Zeit prägend beeinflußte, war die von “Big Boy” Crudup, der wie er eine hohe Tenorstimme hatte, und die von Lightnin' Hopkins, d.h. vor allem dessen Art, seine Songs auf lakonische Art und Weise vorzutragen. Der Umzug nach Chicago Ende der 40er Jahre wurde ihm dadurch erleichtert, daß er dort Verwandte hatte, die ihn bei sich aufnahmen. Er bekam einen Job in der Swift Fleischverpackungsfabrik, und in seiner ,Freizeit ging er sich die Musik live anhören, die er bis dahin nur von Schallplatten gekannt hatte. “Der erste, den ich wirklich kennenlernte, war Big Bill Broonzy”, erzählte J.B. Dem Musikwissenschaftler Paul Oliver, “als er im Sylvio in der Lake Street auftrat. Big Bill nahm mich unter seine Fittiche, war wie ein Vater zu mir. Ich konnte mit ihm spielen, wann immer ich wollte." Er lernte auch Memphis Minnie kennen: “Sie gab regelmäßig Cocktail Partys, im Gate [Club] - ihre “Blue Monday Partysl Und ab und zu bat sie mich, etwas vorzuspielen.” Dann gab es da noch Muddy Waters und Little Walter. Sie waren im Du Drop Inn anzutreffen: “Also ging ich dahin. Ich hatte nun meinen eigenen Stil entwickelt, rockte und wand mich hin und her. Muddy hat sich das von mir abgeguckt!“

I feel som good


EINSTIEG INS PLATTENGESCHÄFT

Die Plattenfirmen wurden allerdings erst 1951 auf das junge Talent aufmerksam. Über Muddy Waters hatte J.B. den Bluessänger St.Louis Jimmy kennengelernt, der sich mit dem Entrepreneur Joe Brown zusammengetan hatte, um J.O.B. Records zu gründen. Damals hieß es, Brown würde jeden auf Platte aufnehmen, vorausgesetzt, er würde für die Session zahlen. Möglich, daß es so zu
J.B.s erster Aufnahme-Session kam, auf der er vier langsame Bluesnummern einspielte, mit Sunnyland Slim am Klavier und Alfred Wallace am Schlagzeug. Brown verkaufte sie an Chess, wo sie unter dem Pseudonym J.B. Lenoire & His Bayou Boys erschienen. Daß sich J.B. nicht scheute, kritische Themen aufzugreifen, zeigt sich bereits im “Korea Blues”:
“Lord l got my questionnaire,
Uncle Sam gonna send me away from here,
He said, J.B. you know that I need you,
Lord, I need you in South Korea”
(Ich habe meinen Einzugsbefehl bekommen,
Onkel Sam schickt mich fort von hier. Er
sagte, J.B., du weißt, daß ich dich brauche,
ich brauche dich in Südkorea.)
Die Zeiten waren hart. Nicht nur waren die USA in den Koreakrieg verwickelt, im eigenen Land herrschte nach dem Boom der Nachkriegszeit eine Wirtschaftskrise. In seinem “Deep in Debt Blues” schlägt Lenoir vor, wie man auf privater Ebene finanzielle Probleme lösen könnte:
“I'm deep in debt, baby, look at the bills l gotta pay,
Sweetheart, if you and Iwere together,
look at the money we would save.”
(Ich habe enorme Schulden, Baby, schau dir
die Rechnungen an, die ich zahlen muß.
Liebste, wenn wir zusammenzögen, würden
wir viel Geld sparen.)
In den folgenden anderthalb Jahren machte Lenoir noch dreimal Aufnahmen für das J.O.B.-Label. Zu jener Zeit begann er, den etwas antiquierten Stil seiner Chess-Einspielungen abzulegen und den Sound zu entwickeln, den man später mit seinem Namen verband. Ganz charakeristisch für diesen Stil sind seine hohe Tenorstimme, die in langsamen Bluessongs ungeheuer zärtlich klingt, in schnellen enorme Lebensfreude vermitteln kann, und seine fast bis zur Verzerrung verstärkten Boogierhythmen, die alle anderen Instrumente übertönen. Langsame Bluestitel wie “Louise” und “The Mountain” gingen seinem Publikum nach wie vor ans Gemüt, doch sein neuer Gesangsstil verlieh schnelleren Stücken wie “Play a Little While", “How Much More” und “The Mojo", der ihm die verdiente Anerkennung brachte, ungeheueren Schwung und Elan. Er sollte im Laufe seiner
Karriere immer wieder auf “The Mojo” zu- rückgreifen, in dem er seine glücklichen Tage als Teenager in New Orleans heraufbeschwört.

korea blues

GETIGERTE POWER

1954 ging JB. Lenoir beim Parrot-Label des Diskjockeys Al Benson unter Vertrag. Auf der ersten Parrot-Session nahm er den Song auf, den man am häufigsten mit ihm Verbindet. “Eisenhower Blues” hatte die Wirtschaftskrise zum Thema, von der die schwarze Bevölkerungsschicht am schwersten betroffen war. J.B.s Song faßte ihre Probleme zusammen:
“Taking all my money to pay the tax, I”m only giving you people the natural facts,
l`m only telling you people my belief, because I'm heading straight for relief."
(Mein ganzes Geld wird von der Steuer verschluckt, und das ist Tatsache. Ich erzähle
euch nur davon, weil ich demnächst dann Armenfürsorge beantragen muß.)
Zwei Versionen erschienen von diesem Song: In “Tax Paying Blues” wurde zwar der Name des Präsidenten weggelassen, doch war immer noch unmißverständlich klar, wem er die Schuld für die Misere des Landes in die Schuhe schob. Seine nächste Single hatte ein völlig anderes Thema und wurde noch populärer als “Mojo” oder “Eisenhower”. “Mama Talk to Your Daughters” ist ein Boogie, der einem in die Füße geht, dominiert von J.B.s charakteristischem Gesang- und Gitarren-stil, und der uns die extrovertierte Seite dieses Bluesman zeigt. Damals erschien .l.B. bei Live-Auf-
tritten im getigerten Jackett und mit funkelndem Ohrring auf der Bühne.

WECHSEL zu CHECKER

Fine Girls

Mit den darauffolgenden Singles - “Mama, Your Daughter Is Going to Miss Me” und “Fine Girls” - kam er nicht annähernd an den Erfolg von “Mojo” und “Eisenhower” heran. Das Parrot-Label machte 1956 bankrott und verkaufte die Aufnahmen an John Burton, einen Rechtsanwalt. Dieser leaste sie drei Jahre später an Chess. J.B. wechselte zu Checker, für das er im September 1955 “Let
Me Die with the One l Love” einspielte. Zu der Zeit waren Lenoirs Aufnahmen gekennzeichnet von dem schrillen, eintönigen Saxophonsound von Alex Atkins und Ernest Cotton und dem seltsamen Beat des Schlagzeugers Al Gavin. Diese ungewöhnliche Begleitung sowie seine fast immer nach dem gleichen Rezept geschriebenen Lyrics führten wahrscheinlich dazu, daß viel von dem damals eingespielten Material in den Archiven verschwand.
Von 1956 bis1958 erschienen ganze drei Singles von Lenoir. 1958 spielte er auch für das Shad-Label eine Single ein, mit dem jungen Junior Wells auf der Mundharmonika. Im Mai 1960 folgte “Do What l Say” für Vee-Jay, eine nicht sehr begeisternde Version der Ray Charles-Komposition. Zwei Monate nach dieser Session interviewte ihn der Musikwissenschaftler Paul Oliver, der faszi-
niert war von Lenoirs Fingerfertigkeit auf der akustischen Gitarre.

EINE NEUE DIMENSION

Da sowohl die Labels als auch J.B. dem Erfolg nachjagten, war diese sanftere, ernsthaftere, “akustische” Seite J.B. Lenoirs langsam gänzlich in den Hintergrund gerückt. Mit dem Erscheinen von Lenoirs “I Been Down So Long” und “Move to Kansas City” und der gleichzeitigen Veröffent-lichung von Paul Olivers Buch Conversations with the Blues tauchte diese Seite wieder aus der Ver-
senkung auf. Zwei weitere Songs, “Mojo Boogie” und “I Don't Care What Nobody Say", kamen etwas später beim Blue Horizon-Label heraus. Zwei Jahre gingen ins Land, und Willie Dixon war dabei, sich für seine Reise über den Teich im Rahmen des ersten American Folk Blues Festival vorzubereiten. Auch bei so einem aufregenden Unternehmen verlor Dixon nicht aus den Augen, was ihm vor allem am Herzen lag. Er stellte Demo-Tapes zusammen, in der Hoffnung, ein Label in Eu-ropa zur Veröffentlichung überreden zu können oder wenigstens den dortigen Promotern neue Künstler vorzustellen. Er hatte auf einigen Sessions von J.B. Lenoir als Sideman am Kontrabaß fungiert. “J.B.”, erzählte er Don Snowden, “befand sich zu jener Zeit schon eine ganze Weile in Chicago und machte Musik, doch das meiste davon wurde nicht veröffentlicht." Dixon brachte
Lenoir mit BMI in Verbindung, woraufhin J.B. schon bald wieder tantiementrächtige Songs produzierte.
Eines der Tapes, die Dixon mit nach Europa nahm, enthielt Aufnahmen mit ihm und J.B., auf denen sie in Erinnerung schwelgen und sich gegenseitig Songs Vorsingen – ein gutes Beispiel für Lenoirs Talent als Texter. Aus diesen musikalischen “Gesprächen” entstand die Single “I Sing Um the Way I Feel' ein synkopierter Blues für das USA-Label.

J.B. Lenoir - "My Name Is J.B. Lenoir" - 1965

POLITISCHER BLUES

Wenn Horst Lippmann, einer der Veranstalter des American Folk Blues Festival, sich in Chicago aufhielt, um die Künstler für das nächste Festival auszusuchen, machte er das von Dixons Büro aus. “Dort traf ich J.B. Lenoir zum ersten Mal. Er sang ein paar Songs, die sensationell waren, und ich beschloß auf der Stelle, Aufnahmen mit ihm zu machen. So kam es zu dem berühmten Alabama Blues!-Album, das damals kein Label in den USA zu veröffentlichen bereit war, da die Lyrics viel zu sozialkritisch waren." Die Session für Alabama Blues! fand am 5. Mai 1965 statt. Auf vier Songs, darunter auch einer Version von “Mojo Boogie” und “Mama Talk to Your Daughter”, ist Fred Below am Schlagzeug zu hören. Doch auf den meisten Titeln sind nur J.B. Lenoir und seine Gitarre vertreten, was der Stimmung der Songs entspricht: “Alabama Blues” und “Alabama March” sind ein Echo der Bürgerrechtsbewegung, die damals Amerika in Atem hielt; “God`s Word” und
“Remove This Rope” sind Meditationen über die sozialen Ungerechtigkeiten; “Vietnam” brachte den “Korea Blues” auf den neuesten Stand.

MUIKALISCHE SCHATZTRUHE

Das beinahe würdevolle Gehabe, das er auf dieser Session zur Schau trug, zeichnete auch seine Auftritte im Rahmen des American Folk Blues Festival desselben Jahres aus. Das Publikum war ergriffen von der Wehmut seiner langsamen Stücke und begeistert von den rockenden Versionen seiner Hit-Singles. Willie Dixon leitete auch die 1966-Session, auf der Lenoirs zweites Album (J.B. Lenoir) entstand und die seine letzte sein sollte. Es enthält einiges altes Material, doch auch be-
merkenswerte Songs wie “Born Dead” und “Down in Mississippi". Von “Mississippi” spielten Pop Staples sowie Ry Cooder eine Cover-Version ein. Jeder hoffte, daß dies der Anfang einer neuen Karriere für J.B. war, doch diese Hoffnung wurde mit einem Schlag zunichte gemacht, als Lenoir am 29. April 1967 in Champaign, lllinois, in einen Autounfall verwickelt war. Er überlebte den Unfall, erlag jedoch im Krankenwagen einem Herzinfarkt. Einer seiner größten Bewunderer war vielleicht der britische Blues- und Rockkünstler John Mayall, der ihm auf seiner LP Crusade mit “The Death of J.B. Lenoir” Tribut zollte. Drei Jahre später gründete Mayall das J.B. Lenoir-Label, erwarb die Rechte für Lenoirs letzte Aufnahmen von 1966 und veröffent- lichte sie zusammen mit einem langen Interview mit J .B.s Witwe Ella Louise Lenoir.

Eisenhower Blues

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