Otis
Spann
Otis Spann (* 21. März 1930 in Jackson, Mississippi; † 24. April 1970 in Chicago, Illinois) war ein US-amerikanischer Blues-Pianist und -Sänger.
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Ebony and Ivory Blues [Doppel-CD] Otis Spann (Künstler) | Format: Audio CD
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The Sideman
Otis Spanns mitreißender Klavierstil
ist aus dem Chicago Blues der 50er Jahre nicht wegzudenken. Er
begleitete Bluesgrößen wie Muddy Waters, Howlin' Wolf, Buddy Guy,
Little Walter, Bo Diddley und Sonny Boy Williamson ll bei unzähligen
Sessions. Außerdem wirkte er 15 Jahre lang in der Muddy Waters'-Band
mit. Seine vielversprechende Solo-Karriere endete 1970 nach nur
zweijähriger Dauer, als er an Krebs starb.
In seinen Eigenschaften als Bandleader
und -mitglied hat Otis Spann einen beispiellosen Beitrag zum Chicago
Piano-Blues geliefert. Seine Musik gehörte zu einer Sparte des
Blues, die sich seit den
90er Jahren des vorigen Jahrhunderts
kon- tinuierlich entwickelt hatte. Denn der Piano-Blues hatte seine
Wurzeln in einer anderen Tradition als in der, die Gitarristen und
Banjospieler inspirierte.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war das
Klavier von den exakten Synkopen des Ragtime bestimmt. Die meisten
“Ragtimer” - angeführt von Scott Joplin - waren ausgebildete
Musiker. Aber viele der nachfolgenden Pianisten, die sich von Joplin
inspirieren ließen, hatten keinerlei syste-matische musikalische
Ausbildung durchlaufen. Sie kreierten einen Stil, der die strengen
Gesetze des Ragtime sprengte und Raum für Inspiration zuließ.
KEIN VORNEHMES MILLIEU
Diese Musiker hatten nie eine
Konzerthalle von innen gesehen. Sie spielten vielmehr in
Etablisse-ments, die nicht gerade der geistigen Erbauung dienten: Es
gibt Hinweise darauf, daß der Piano Blues in den Work-Camps von
Louisiana und Texas seinen Ursprung hatte. Ein rauhes Milieu
erforderte eine Art der Unterhaltung, die auch nicht gerade zart
besaitet war. Der Boogie-Woogie erfüllte diese Bedingungen. Die
flotte Musik, bei der der Pianist mit der linken Hand rhythmi-
sche Achtelwerte spielt und mit der
rechten im Oktavbereich improvisiert, kam auch bei einem schwer zu
bändigenden Publikum gut an. Ein ganzer Wanderzirkus von Pianisten
zog durch die Lager der Holz- und Baumwollarbeiter, durch Bordelle,
Bars, Barrelhouses und Vaudeville-Theater. Verschiedene Moden und
Vorlieben entstanden, und jede Stadt hatte ihre eigenen Lokalgrößen,
die für ihren individuellen Stil oder ihre Melodien berühmt waren.
Später, in den 30er Jahren, kamen Klavier-und-Gitarre-Duos auf.
Bekannte Vertreter dieser Spielweise waren z.B. Tampa Red und Georgia
Tom (Thomas Dorsey). Als Dorsey aus dem Bluesgeschäft ausstieg,
arbeitete Tampa Red unter anderen mit Black Bob und Blind John Davis
zusammen. Im Sommer 1941 tat er sich mit einem neuen Partner
zusammen, Big Maceo Merriweather, der in Georgia geboren war, jedoch
in
Detroit wohnte. Im Oktober 1945 spielte
Maceo “Chicago Breakdown” ein - einen Titel, der seine
außergewöhnliche Power und seinen
Erfindungsreichtum demonstrierte. Ein Schlaganfall beendete seine
Karriere, aber er gab sein Können an zwei begeisterte Schüler
weiter. Der erste war Little Johnny Jones, der 1949 Mitglied von
Tampa Reds Band wurde und dann eine andauernde Platten-
Partnerschaft mit Elmore Jones einging.
Der zweite Schüler war Otis Spann, der später den typischen Chicago
Piano-B1ues-Stil verkörpern sollte.
ELTERNZWIST
Otis wurde am 21. März 1930 in
Belzoni, Mississippi, als Sohn von Frank Spann und Josephine Erby
geboren. Seine Mutter hatte einst mit Memphis Minnie gesungen, war
aber später zur frommen Christin avanciert und billigte die
Bluesmusik nicht mehr. Sein Vater war weitaus toleranter in dieser
Hinsicht, und es amüsierte ihn, welch ungeheure Faszination das
Blues-Piano-Spiel von Friday Ford (einer lokalen Bluesgöße) auf
Otis ausübte. "Friday Ford war ein toller Mensch und ein
großartiger Klavierspieler”, so Otis im Gespräch mit Paul Oliver.
Und weiter sagte
er: “Ich halte ihn sogar für ein
Genie. Er brachte mir alles übers Klavierspielen bei - bis kurz vor
seinem Tod war ich sein Schüler. Er nahm mich immer auf den Schoß
und sagte: 'Hier (am Klavier) sitzt du nur, weil du spielen lernen
sollst." Aber ich konnte noch nicht spielen, weil ich einfach zu
klein war und meine Finger noch nicht lang genug waren, um in die
Tasten zu hauen. Und später, als es mit dem Spielen ging. da war er
schon tot. Aber ich hab` nichts von dem vergessen, was er
mir gezeigt hatte Ich hatte es im
Kopf. Und so fing ich an zu spielen. Hab`s alles ihm zu verdanken."
Der Vater kaufte Otis ein Klavier, und innerhalb von 24 Stunden wurde
seiner Mutter klar, was er darauf trommelte – den Blues. Frank
Spann konnte sie beruhigen - wohl dadurch, indem er sie davon
überzeugte, daß das Talent des Filius auch in den Dienst der Kirche
gestellt werden könnte. Otis schaffte es im Alter von nur acht
Jahren einen Wettbewerb im Alamo Theater in Jackson, Mississippi zu
gewinnen, und zwar mit Bessie Smiths “Backwater Blues”.
WEEKEND BLUESMAN
Sobald er besser spielen konnte,
verbrachte Otis seine Wochenenden in Belzonis Juke Joints und anderen
Kneipen. Außerdem fuhr er regelmäßig nach Jackson, um dort
Gastspiel-Künstler im Alamo-Theater zu begleiten. Außerdem spielte
er mit seinem Vetter Johnnie Jones in den Clubs der Stadt. Als Otis'
Mutter 1947 starb, schickte ihn der Vater zu Verwandten nach Chicago.
Dort arbeitete er tagsüber als Maurer und trieb sich abends auf
Partys und in Bars herum - eine gute Gelegenheit, den Blues in seiner
ganzen Fülle aufzunehmen. Beim Einstieg in die Szene half ihm kein
Geringerer als Muddy Waters. Jahrelang gaben sich die beiden
gegenseitig als Halbbrüder aus, bis Muddy bei Jim O”Neal
beichtete: “Otis Spann, der war mein Stab und meine Stütze. Wir
standen uns zwar so nahe wie Brüder, waren aber keine." Otis
sammelte in der Chicagoer Tick
Tock Lounge erste Erfahrungen als
Bandleader. Die “Band” bestand aus ihm, dem Mundharmonika-spieler
Forrest City Joe und dem Schlagzeuger Francis Clay. Muddy Waters
hatte seit 1947 in regelmäßigen Abständen für Aristocrat und
Chess Platten eingespielt und dabei sowohl mit Sunnyland Slim als
auch mit Johnnie Jones zusammengearbeitet. Zuerst war
Plattenproduzent Leonard Chess nicht begeistert von der Idee, Muddys
Band mit ins Studio zu lassen, aber als
deren Zusammenspiel und Sound immer
dynamischer wurden, gab er schließlich nach. Und so kam es, daß
zuerst Little Walter und dann Jimmy Rogers und Schlagzeuger Elgin
Evans regelmäßig bei Sessions mit dabei waren. Aber trotz dieses
erstklassigen Line-ups fehlte Muddys Meinung nach
etwas Entscheidendes in der Besetzung.“
lch war davon überzeugt, daß das Klavier schon immer ein
Blues-Instrument war und auch in meiner Musik seinen Platz hatte",
sagte er. “Mit einem Klavier kriegt man ganz einfach einen weitaus
volleren Background-Sound.“
Er hatte sich zu dem Zeitpunkt seinen
Pianisten natürlich schon ausgesucht, und am 24. September 1953
hatte Otis bei einer Session Gelegenheit, ein Solo zu spielen. Das
Ergebnis waren die beiden umwerfenden Titel “Blow Wind Blow” und
“Mad Love“ (auch als “I Want You to Love Me”
bekannt). Zum Zeitpunkt der Session war
Otis bereits zwei Jahre lang Mitglied der Muddy Waters Band gewesen
und hatte dabei einen Klavierstil entwickelt, der die Gitarren
ergänzte, statt sie zu bekämpfen. Diesen Stil hatte er vom großen
Meister Muddy Waters selbst gelernt.
MENTOR MUDDY
“Mich haben viele Leute gefragt,
wieso der Otis den Blues so gut spielen kann", berichtete Muddy
Waters. “Sie wußten halt nicht, daß er mich besuchen kam. Er
parkte vor meinem Haus mit *ner Flasche Whiskey, und ich setzte mich
zu ihm und erklärte ihm genau, was er auf dem Klavier machen sollte,
während ich den Blues sang." Es traf sich, daß Otis Spann auf
Muddy Waters Platten erschien, als dieser seine größten Erfolge
erzielte. Auf “Mad Love” folgten “I'm Your Hoochie Coochie
Man", “Just Make Love to Me”, “l'm Ready” und “Mannish
Boy". Otis war auch bei Bo Diddleys Debut-Single “l'm a Man”,
bei Howlin” Wolfs “Rocking Daddy”, bei Jimmy Rogers “Walking
By Myself“, Little Walters “Got to Find My Baby” und Chuck
Berrys “You Can't Catch
Me” mit von der Partie. Und als Sonny
Boy Williamson II im August 1955 bei Checker unter Vertrag ging,
wurde Otis bei seinen Sessions genauso unentbehrlich wie bei Muddy
Waters'.
Inzwischen hatte er (im Oktober 1954)
eine eigene Platte herausgegeben. Die Tonqualität war jedoch nicht
berauschend, und niemand scheint genau zu wissen, wer die
Session-Musiker waren. Die heutigen Blues-Experten tippen auf
folgendes Line-up: Henry Current (Mundharmonika), Jody Williams und
B.B. King (Gitarren), Willie Dixon und Fred Below (Baß). Das
Ergebnis einer Spann-Session im Juli 1956 wurde erst in den 80er
Jahren entdeckt: “I'm Leaving You” und “I`m in Love With You
Baby” sind mitreißende, rockende Blues-Nummern. Die Interpreten
Walter Horton und Robert Lockwood wirkten dabei ebenfalls mit. Im
Oktober 1958 begleitete Otis Muddy Waters auf eine Tournee durch
Großbritannien (mit Chris Barbers Jazzband). Für das britische
Publikum, das an den eher vom Folk beeinflußten Stil eines Big Bill
Broonzy, Brownie McGhee und Sonny Terry gewöhnt war, stellte der
harsche Sound von Muddys verstärkter Slide Guitar einen ziemlichen
Schock dar. Sie taten sich etwas schwer, ihn als “The World's
Greatest Living Blues Singer” (wie das Programm ihn bezeichnete)
anzuerkennen. “Am nächsten Morgen standen die Schlagzeilen
“Kreischende Gitarre und jaulendes Klavier” in der Zeitung",
erinnerte sich Muddy Waters.
NEU IN NEWPORT
Zwei Jahre später, am 3. .Juli 1958,
bildeten Muddy und seine Band den Höhepunkt des
“Bluesnachmittags” beim Jazz
Festival in Newport. Als Muddys Auftritt beendet war,
demonstrierte Otis mit der Band anhand
von vier Melodien verschiedene Blues-Piano-Stile. Seine bewegende
Darbietung wurde in das Live-Album Muddy Waters at Newport
aufgenommen. Sein hervorragendes Spiel an jenem Bluesnachmittag in
Newport führte einen Monat später zu einer Aufnahme-Session, deren
Material auf der CD mit dieser Ausgabe zu finden ist. Das
Originalalbum, Otis Spann Is the Blues, wurde am 23. August 1960 in
New York eingespielt und 1961 veröffentlicht. Otis spielte nicht nur
eine Rekordzahl von eigenen Titeln ein (20), sondern begleitete
auch noch den Gitarristen Robert
Lockwood auf vier und den Veteranen der Blueskomponisten, St. Louis
Jimmy, auf sieben Tracks. Er wußte die Gelegenheit zu nutzen, ,seine
Talente als Pianist und Bluessänger ein für alle mal unter Beweis
zu stellen. “Mit Otis im Aufnahmestudio zu arbeiten, war ein
Kinderspiel", teilte der Plattenproduzent Nat Hentoff dem
Journalisten Mark Humphreys mit. “Er wußte einfach genau, was er
wollte. In der Zeit, die wir zur Verfügung hatten, hätten wir
genauso gut vier Alben einspielen können statt nur zwei, denn nach
nur einem Take war die Auf-nahme im Kasten. Wenn's länger dauerte,
dann lag es am Toningenieur und nicht an Otis.” Ein zweites Album
mit dem Titel Walkiıı' the Blues sollte 1962 herauskommen, aber das
Label (Candid) machte pleite, und das Album erschien erst 10 Jahre
später. Spann behauptete immer, daß er mit sei-
ner Rolle als Sideman zufrieden war,
machte aber in den 60er Jahren auch Solo-Alben. 1963 z.B. spielte er
im Rahmen der Europa-Tournee mit dem American Folk Blues Festival in
Copenhagen The Blues of Otis Spann für Decca ein. Muddy Waters –
auf dem Cover als “Brother” bezeichnet -lieferte den
Gitarrenbeitrag. Weitere Album-Sessions folgten; außerdem wirkte
Otis weiterhin bei Sessions von Muddy Waters, Buddy Guy, Luther
Johnson, Johnny Shines, George Smith, Big Ma-
ma Thornton und Johnny Young mit.
T.B. Blues
Frisch Motiviert
Ende der 60er Jahre ging Otis eine
zweite Ehe ein. Seine Frau, Lucille Wilson, wollte Sängerin werden.
Sie wirkte auf Otis' zweitem Album für das Bluesway-Label, The
Bottom of the Blues, mit; außerdem im März 1968 bei Cryin' Time
(Vanguard). Nach Meinung vieler Fans und Freunde war
es Lucilles Ehrgeiz, der Otis Spann zur
Intensivierung seiner Solo-Karriere antrieb. Anfang 1969 nahm Otis an
der Session für Blues Jam at Chess teil, einem Tribut-Album
Fleetwood Macs an Chess und den Chicago Blues. (lm Juni 1968 hatte er
bereits für Blue Horizon eine Single eingespielt, bestehend aus
“Can't Do Me No Good” und “Bloody Murder", begleitet von
Walter Horton, Johnny Shines, Willie Dixon und Clifton James.)
Zwischen Otis Spann und Fleetwood Mac klappte die Zusammenarbeit so
gut, daß eine weitere Session in New York arrangiert wurde, deren
Ergebnis The Biggest Thing Since Colossus war.
Vier Monate später, am 21. April 1969,
sollte Otis mit seinem Mentor und "Bruder" Muddy Waters zum
letzten Mal eine Studio-Session abhalten, der drei Tage später ein
mLive-Mitschnitt folgte: Fathers and Sons. Mit diesem Album huldigten
Paul Butterfield und Mike Bloomfield Waters dem
“King des Chicago Blues". Otis
war zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr Mitglied der Waters-Band,
kehrte aber anläßlich dieser Gelegenheit bereitwillig zurück, um
sein
unvergleichliches Talent wieder zur
Verfü-gung zu stellen.
DIE LETZTEN JAHRE
Muddy Waters hatte Otis Weggang von der
Band mit Gelassenheit getragen. “Wenn jemand Talent hat, dann soll
er es auch zur Schau stellen. Da muß man ihn gehen lassen, selbst
wenn man ihn aus-gebildet hat. Und wir trugen einander nichts nach,
waren ja wie Brüder Wir haben immer gelacht und gescherzt, und oben
auf der Bühne, da hatten wir unsere Insider-Witze, mit denen wir uns
ver-ständigten” Aber Otis blieb nur wenig Zeit, seinen neuen
Status als Solo-Künstler zu genießen.
Im August 1969 spielte er noch einmal
ein Album ein, The Everlasting Blues. Danach jedoch ging es mit
seiner Gesundheit rapide bergab. Am 30. Dezember '69 und am 8. Januar
1970 schaffte er es gerade noch, als Session-Musiker für Junior
Wells' Album Southside Blues Jam zugegen zu sein.
Im Frühling wurde er mit Leberkrebs
ins Krankenhaus eingeliefert. Er starb am 24. April 1970. Seine
Kollegen widmeten ihm,“dem größten Bluespianisten seiner
Generation", das Album Southside Blues Jam. Schon Jahre zuvor
hatte Muddy Waters über Otis gesagt: “Er kennt meine Musik besser
als jeder andere. Wir täten gut daran, noch mal so ein Talent wie
seins heran-zuzüchten.“ Doch das schaffte die Blueswelt nie.